De docta ignorantia

Nikolaus von Kues' Hauptwerk "De docta ignorantia" (Über die belehrte Unwissenheit"). Bernkastel-Kues, St. Nikolaus-Hospital, Bibliothek: Codex 218, 1r. - Pergament, nach 12. Febr. 1440, Bastarda von der Hand eines Berufsschreibers. Initiale "A"(dmirabitur) mit Blattausläufer, Widmungszeilen und Kapitelüberschrift rubriziert. Am oberen Blattrand Besitzvermerk der Bibliothek: "Liber hospitalis s(an)c(t)i Nicolai de Cußa 1488°"

Pergament De docta ignorantia

mit freundlicher Genehmigung: © St. Nikolaus-Hospital; Foto: Erich Gutberlet

 

Der Wissensbegriff in De docta ignorantia 

(Die belehrte Unwissenheit) von Nikolaus von Kues von Tobias Zell

"Alle Denkwege führen in Richtung Wahrheit, aber keiner endet am Ziel.
Eine der vielen Ursachen dafür ist, dass schon der Begriff Wahrheit nicht fassbar ist.
Wo sich die Wahrnehmungen ändern, ändert sich auch die Wahrheit.
Vielleicht gibt es nur eine erlebbare Wahrheit, dort nämlich, wo viele Wege sich treffen, die in entgegengesetzte Richtungen führen.
"
(Frieder Lauxmann)


Inhaltsverzeichnis


1. Zur Einführung

2. Zu Entstehung und Inhalt von "De docta ignorantia"

2.1. Der Blitz der Erkenntnis

2.2. Aufbau des Werkes

3. Belehrte Unwissenheit - Wissendes Nicht-Wissen

3.1. Ich weiß, dass ich nichts weiß

3.2. Die cusanische Erkenntnistheorie

3.3. Der Zusammenfall der Gegensätze im Unendlichen

3.4. Negative Theologie und unfassbarer Gott

4. Der unendliche Weg des Erkennens - die belehrte Unwissenheit als Ziel

5. Zur Gotteserkenntnis

6. Die belehrte Unwissenheit als hermeneutischer Zirkel?

7. Schlussbetrachtungen

Literaturverzeichnis


1. Zur Einführung


In "De docta ignorantia", seinem ersten philosophischen Werk, hat Nikolaus von Kues seine bleibenden Grundgedanken festgehalten. Für viele gelten die drei Bände auch als Hauptwerk des Kusaners. Abgeschlossen hat Cusanus seine "belehrte Unwissenheit", die er Kardinal Julian Cesarini widmete, am 12. Februar 1440 zu Kues an der Mosel.

In dem Werk legt Cusanus zwei zentrale Themen seiner Philosophie und Theologie dar. Zum einen stellt er den Zusammenfall der Gegensätze heraus. Dieser sei nur in Gott möglich, wobei Jesus Christus das Bindeglied zwischen Gott und der Welt sei. Die Welt sei stufenweise geordnet, vom Höchsten bis hin zum Niedrigsten. In diesem Zusammenhang tritt auch die Vorliebe des Cusanus für mathematische Denk- und Ausdrucksweisen zu Tage. Derer bedient er sich besonders, wenn es darum geht, die Probleme des unendlich Großen und unendlich Kleinen zu bewältigen und auszudrücken.
Der zweite Schwerpunkt, den Cusanus in "De docta ignorantia" einbettet, ist der, der dem Werk seinen Namen gibt: Die belehrte Unwissenheit - das Wissen um das eigene Nicht-Wissen. Nach Cusanus wird ein Mensch gerade dadurch umso gelehrter, je mehr er um sein eigenes Nicht-Wissen weiß. Das Wissen um das Nicht-Wissen ist also das Ziel. Denn, so Cusanus, wenn uns diese Absicht gelingt, dann haben wir die belehrte Unwissenheit erreicht, die er ausgibt.

Das philosophische Werk des Cusanus ist zugleich ein Dokument für den Wandel scholastischen Denkens hin zum Geist des Humanismus der Renaissance. Damit gehört Cusanus zu den "Wegbereitern der Neuzeit" - wenngleich sein Einfluss zunächst dürftig war. Denn Nikolaus von Kues ist mit seiner Annahme, das Gott das Absolute und das Zentrum aller Überlegungen ist, noch ganz dem Mittelalter verhaftet. Auf der Gegenseite zieht Cusanus aber einen wichtigen Schluss: Die von den antiken Philosophen getroffene Unterscheidung zwischen den Himmelskörpern und der Erde, zwischen himmlischer und irdischer Materie, ist unhaltbar. Mit diesem Ansatz bereitet Cusanus bereits die kopernikanische Wende vor - vorweg genommen hat er sie, entgegen einiger Stimmen, wohl eher nicht.
Ähnlich beurteilt Wilhelm Totok die cusanische Philosophie. Sie sei "eine Philosophie des Übergangs". Und sie sei zum einen der Abschluss des mittelalterlichen Denkens, zum anderen der Beginn des neuzeitlichen Denkens.

"De docta ignorantia" behandelt das Wissen von Gott unter der Bezeichnung des absolut Größten und des absolut Kleinsten sowie der Koinzidenz des Größten und Kleinsten, während der Begriff der "docta ignorantia" selbst gerade die Grundstruktur der Erkenntnis Gottes skizziert. Die belehrte Unwissenheit ist demnach das Ziel und die Vollendung, die jedes Vernunftwesen anstrebt.
Im Folgenden soll die "belehrte Unwissenheit", die Cusanus in seinem Werk "De docta ignorantia" darlegt, näher betrachtet werden. Dabei geht es zum einen um die Gliederung des Werks, die Konzeption des Begriffs der belehrten Unwissenheit und deren Herleitung. Ebenso von Bedeutung wird auch sein, wie Cusanus durch seine Ausführungen einen Wissensbegriff definiert und - vielleicht - auch konstruiert und entwickelt.

2. Zu Entstehung und Inhalt von "De docta ignorantia"


2.1. Der Blitz der Erkenntnis

Das 15. Jahrhundert war die Zeit der Entdeckungen, der großen Seefahrten, der Erfahrung fremder Kulturen sowie der Ausbildung des Bürgertums. Im Jahr 1437/38 reiste Cusanus von Venedig aus nach Konstantinopel, der Hauptstadt des oströmischen Reiches und Sitz des Patriarchen der - seit knapp vier Jahrhunderten von der römischen Kirche getrennten - griechisch-orthodoxen Kirche. Cusanus gehörte einer Gesandtschaft im Auftrag von Papst Eugen IV. an, die die Vereinigung mit der Westkirche, wenn auch nicht unbedingt herbeiführen, so doch zumindest vorbereiten sollte. Zum weiteren Hintergrund: Knapp zwei Jahre später, am 6. Juli 1439, wurde die Vereinigung der Ostkirche mit Rom Wirklichkeit, ohne jedoch von langer Dauer zu sein. Nur 14 Jahre danach, am 29. Mai 1453, eroberten die Türken Konstantinopel und besiegelten so gleichermaßen den Untergang des oströmischen Reiches wie des byzantinischen Patriarchats.

Zurück zu Cusanus. Dieser Delegations-Reise kann meines Erachtens doppelte Bedeutung zugemessen werden. Zum einen spiegelt die Beteiligung des Cusanus an dieser Delegation dessen Idee von weltweiter Toleranz wider, die sowohl andere Zweige des Christentums als auch nicht-christliche Religionen nicht ausschließt. So legt Cusanus in dem später verfassten Werk "De docta ignorantia" eben dar, dass die unterschiedlichen Namen und Bezeichnungen, die die Religionen ihrem Gott geben, nur verschiedene "Ausfaltungen der eingefalteten Fülle des unaussprechlichen Namens" seien.
Zum Zweiten zeigt diese Reise für Cusanus noch eine weitere Dimension dar. Denn die Idee vom Zusammenfall der Gegensätze (coincidentia oppositorum) ist Cusanus nach eigenen Aussagen auf hoher See und eben auf dieser Reise gekommen. Als er sich per Schiff auf der Rückreise von Konstantinopel befand, habe er auf das Meer hinaus geblickt und die Erkenntnis gehabt. Später hat Nikolaus von Kues diesen Moment wohl "mit allen Topoi eines Erweckungserlebnisses ausgestattet" . Die Einsicht sei ihm direkt vom Vater der Lichter zugefallen. Dieser "bescheiden-unbescheidene Verweis auf eine göttliche Erleuchtung verschleiert kaum, wie sehr diese Intuition seiner Genialität geschuldet ist".

[...]

Quelle und weitere Informationen bzw. den kompletten Text unter http://www.hausarbeiten.de/rd/faecher/vorschau/7708.html

 

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